Dies ist meine Geschichte. Die Geschichte meiner Niederlage. Und vielleicht auch die Geschichte meiner Rückkehr. Oder meiner Emigration. Vielleicht meines Untergangs. Ich weiß es noch nicht.
Aber es bleibt spannend...

Ich werde sie ganz langsam erzählen. Weil sie so schwer zu verstehen ist. Auch für mich. Aber sie muss erzählt werden. All denen, die sie in irgendeiner Weise betrifft.

Samstag, 24. November 2012


In Deutschland gibt es fast 1 Million berufliche Reinigungskräfte


Begeisterte Raumpfleger (m/w) gesucht!

Ganz ehrlich, ich warte auf die Stellenanzeige, die den begeisterten Raumpfleger sucht.
Der seinen Lebenszweck erfüllt sieht, wenn er die schimmeligen Apfelgehäuse, die ein Mitmensch in den Flokati eingetreten hat, kunstgerecht aus diesem wieder entfernt. Der das Aroma von Mülltonnen liebt. Die sublime Ästhetik schleimigen Putzwassers genießen kann.
Absolut irrwitzig, wie Unternehmen heute Stellenanzeigen aufgeben.
Der begeisterte Vollblutverkäufer, der sich 150%ig mit der Firmenphilosophie des Schraubenherstellers identifiziert. Der Mensch mit Benzin im Blut und Liebe zu Motoren, der als Vertreter für Schmieröladditive durchs Land ziehen soll. Der Altenpfleger, dessen aufopfernde Liebe zum Menschen erst ganz kurz vor der Selbstaufgabe halt macht. Undsoweiter.
Moment mal: Kapitalismus bedeutet doch, dass ich meine Arbeitskraft als Ware verkaufe. Um zumindest genug zu haben, um im nächsten Monat wieder Essen, Trinken und aufs Klo gehen zu können.
Es gibt schöne und schaurige Seiten in vermutlich jedem Beruf. Und bei jedem von uns Tage, an denen er lieber liegenbleiben oder ganz was anderes machen würde.
90% von uns gehen nicht arbeiten, weil wir unsere Firma so lieben. Sondern damit bei uns der Rubel rollt.
Inzwischen verlangen sie aber nicht mehr nur meine Arbeitskraft. Sondern meine völlige Identifikation mit dem Arbeitgeber.
Aber genau da hakt es doch aus. Wenn von zwei Geschäftspartnern (und etwas anderes ist ein Arbeitsverhältnis nicht) der eine sich völlig mit dem anderen identifiziert, dann wird er ein schlechtes Geschäft machen. Aus Begeisterung für den anderen wird er ihm seine Ware vermutlich schenken. Zumindest weit unter Preis abtreten. Aber genauso funktioniert es nicht. Denn ein gutes Geschäft ist eines, bei dem am Schluss beide zufrieden sind und beider Bedürfnisse erfüllt wurden.
Das schlimme ist: Es scheint keinem aufzufallen. Es gibt genug Idioten, die solche Stellenanzeigen aufgeben und genug Idioten, die sich darauf bewerben. Vielleicht bewerben müssen. Längst halten wir es für völlig normal, dass wir uns in dieser Form mit unserem Unternehmen identifizieren, uns dafür zerreißen lassen würden.
Dabei ist es nur ein Geschäft zwischen meinem geschätzten Arbeitgeber und mir. Mehr nicht. Keine Ehe. Keine romantische Liebesbeziehung. Ich muss mein Unternehmen nicht hofieren wie eine Geliebte.
Man kann sich auf derlei Kram ja bewerben und sich dazu seinen eigenen Teil denken.
Aber wenn wir wirklich anfangen, diese ganze geriebene Scheiße auch noch zu glauben, dann wird der Triumph des Kapitalismus vollständig sein.
„Was immer auch passiert, nie dürft ihr soweit sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken“ schreibt Erich Kästner. Recht hat er.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen